Imre Nagy’s works can be regarded as abstract drawings. Their idiosyncrasy consists in maintaining the conceptual character of the anticipating medium towards common expectations even in the material translation. Although his technical and therefore abstract constructions refer in their individual parts as well as in their context to utility objects, they are only of incomplete practical use and do not follow the material’s requirements on craftsmanship. Imre cites everyday objects, thus turning construction into composition. His message is not conveyed through purpose; rather like in a theatre we are enticed instead to watch this pantomime of the ordinary.

Imre Nagys Arbeiten können als abstrakte Zeichnungen gelten. Ihre Besonderheit besteht darin, auch in der materiellen Übersetzung den konzeptuellen Charakter des antizipierenden Mediums gegenüber gewohnten Erwartungen zu behaupten. Zwar beziehen sich seine technischen und damit abstrakten Konstruktionen sowohl in ihren Einzelteilen als auch in deren Zusammenhang auf Gebrauchsobjekte, sie bieten jedoch nur unvollständig praktischen Nutzen und folgen keiner handwerklichen Materialgerechtheit. Imre zitiert alltägliche Objekte und verwandelt dabei Konstruktion in Komposition. Seine Vermittlung geschieht nicht über den Zweck; vielmehr wird man wie in einem Theater dazu verführt, der Pantomime des Alltäglichen beizuwohnen.

Reiner Zettl, 2014

Aus Materialien wie Holz, Papier, Klebeband oder Plexiglas und mittels subtiler Eingriffe und Kombinationen produziert der Künstler Skulpturen, die fragil und modellhaft wirken. Die Muster ihrer Konstruktion erinnern teilweise an die Durchlässigkeit und Offenheit früher modernistischer Raumexperimente. Die Wahl der ephemeren Baustoffe relativiert diesen Bezug aber wieder, in dem sie ihm eine spekulative und temporäre Haltung hinzufügt. Wenn man möchte, lässt sich aus diesen Arbeiten ein utopischer Unterton herauslesen. Man kann sie als Spuren der Auseinandersetzung mit einer nicht präzise bestimmbaren Vorstellungswelt sehen. Die teils geometrischen, teils asymmetrischen Abstraktionen der Modelle und ihre materiellen Bezüge scheinen die Koordinaten unterschiedlicher Ordnungssysteme zu verhandeln. Das tut sowohl die gescannte Darstellung der vier Außenansichten einer bei Reclam erschienenen Taschenbuchausgabe Wittgensteins wie auch die aus vertikalen Plexiglasstreifen zusammengesetzten Dreiecke, die auf einem gezeichneten Quadratmuster stehen und dieses in unzählige Facetten aufbrechen. Nagys Arbeiten stellen formale und inhaltliche Beziehungen zwischen räumlich‐architektonischen und geistigen Praxisfeldern her. Die Qualität dieser Beziehungen liegt in ihrer Instabilität, die sich bewusst offen für permanente Veränderung und Befragung halten. 

Auf den zweiten Blick erkennbar setzen sich manche Arbeiten der Grazer Präsentation mit inhaltlichen oder formalen Aspekten des umgebenden Raums in eine Beziehung; sei dies ein bestimmter Katalog der im Studio aufgelegten Publikationen oder ein Teil der Möblierung des Ortes. 

Studio: Der Eingangsraum des Grazer Kunstvereins markiert eine Grauzone zwischen Bürosituation, Information, Vermittlung und künstlerischer Produktion. Neben wechselnden ausgewählten Publikationen, Editionen und Kunstzeitschriften, die den BesucherInnen zur Verfügung stehen, finden Interventionen von KünstlerInnen in diesem Bereich statt. Auch das Videoarchiv „Es ist schwer das Reale zu berühren“ oder eine Kaffeemaschine können hier von allen gratis benutzt werden.

 Søren Grammel, 2010

Konzentration, Kontemplation und Meditation sind Begriffe, die Imre Nagy seinen Raumentwicklungen zu Grunde legt. Er nennt sie Lebensbewältigungsräume. Ausgangspunkt seiner Raumfolge, die sich linear in Form von Modellen über einen lang gezogenen Tisch ausbreitet, ist die Fotografie eines in sich geschlossenen Baukörpers. Rational fassbare Konstruktionen wandeln sich in offene Strukturen, werden verunsichert, ‐ instabil durch den Wechsel von Materialien oder die Verschiebung von Raumverhältnissen. 

Imre Nagy schreibt seine Räume fort, gleich einem Text ergibt ein Wort das andere, folgen die Raumelemente einer Grammatik und bilden lesbare Texturen. Eingeschrieben in diese Texte sind Bewegungsabläufe, die wiederum in Papiermodellen analysiert und nachgezeichnet werden. Nur wenige Symbole übernehmen Verweisfunktionen, bilden den Hintergrund für eine Geschichte, die von Protagonisten im Sozialraum erzählt. Oswald Wieners "die verbesserung mitteleuropas, roman", aus dem der Titel zitiert wird, bildet darüber hinaus eine Ebene, wo sich Sprach‐ und Raumdekonstruktionen überlagern.

 Eva Maria Stadler, 2007

Imre Nagy's (1975) installation „plur.sing." comprises seven objects which are arranged together as if fragments of a sentence, in lines of text that run through the exhibition space. The alternating interweaving of how directions move arises from the formal use of diverse industrially-produced materials and found objects with copies of his own photographs and handwritten texts. By combing these materials the artist constructs his own grammar, a reference system relating to his own work; as a rumination on articulation, which unfolds itself in (brackets) in (brackets) in (brackets).

() The two-liner made from metal cover strips stretches out lengthways through the space. The sof strips have been patterned with holes of difering sizes and allow the space to shine through. Arranged in a line, the perforation appears like a coded language, which also allows itself to be felt. Brail, fnger alphabet, old indecipherable handwriting as well as other coded languages and forms of writing are all apparent points of departure? for the object

(()) Pink latex gloves hang empty over a folded piece of paper or are put over metal brackets, the ends of the fngers have been given connecting pieces – three space coordinates which point to opportunities of action, to movement within the space, to activity. Pulled inside out, with the fingertips cut of so that the gloves no longer ofer any protection, they instead ofer a light surface upon which three letters of the fnger alphabet are drawn.

((())) The latex fgures also testify to the absence of a body, as does a plastic bottle crushed by hand which no longer contains any liquid, the aquarium which stands to one side no longer home to either water or fsh and the dissected rubber hose, devoid of air and completely functionless. The materials are all too familiar to us, as if we don't know, intuitively, which society they aesthetically encompass, where we can buy them, where they are to be found, what they are used for, and how they "should" be thought of a in a functional sense.

(((()))) Nagy however, allows other qualities of the materials, which are in part found objects, to speak. Questions of spatialisation are addressed, which, through use of coordinates in the exhibition as three-part connectors, appear in the form of a 'Y' or an 'X'. In this way, for example, a single standing object forms a Y or an X - a box covered in graphite paper, depending on how the aluminium pole is laid. A polystyrene fgure is docked onto the end of the "letter", whose funnelshaped suckers could maybe be sending or receiving something.

((((())))) We are not experiencing a specifc text, instead we are witness to a subtle and complex artistic formulation, which absorbs all of the parameters of the artist's working methods and makes them tangible for us.

 

Imre Nagys (1975) Installation „plur.sing.“ fügt sich aus sieben Objekten zusammen, die sich wie Satzfragmente auf Textzeilen im Raum anordnen. Das wechselseitige Verschränken von Bewegungsrichtungen rührt aus der formal begründeten Verwendung von diversen industriell hergestellten Materialien, gefundenen Dingen und Kopien von eigenen Fotografien und handschriftlichen Texten her. Die Materialien kombiniert der Künstler einer eigenen Grammatik folgend, einem auf die eigene Arbeit verweisenden Referenzsystem; als ein Nachsinnen über Artikulation, dass sich (Klammer) in (Klammer) in (Klammer) entfaltet.

() Der Zweizeiler aus metallenen Fugenleisten streckt sich längs durch den Raum, es sind zarte Leisten die durch verschieden große Löcher gemustert sind und den Raum durchscheinen lassen. So in einer Linie angeordnet erscheint die Perforation wie eine codierte Sprache, die sich auch erfühlen ließe. Blindenschrift, Fingeralphabet, alte unleserliche Handschriften und andere codierte Sprach- und Schriftformen sind Ausgangspunkt der Objekte, die sich auf dem Display befinden.

(()) Rosa Latexhandschuhe hängen leer über einem gefalteten Papier oder sind über Metallwinkel gestülpt, die Enden der Finger sind mit Verbindungsstücken versehen, drei Raumkoordinaten, die auf Handlungsmöglichkeiten, auf Bewegung im Raum, auf Tätigkeit hindeuten. Linksherum gestülpt, mit abgeschnittenen Fingerkuppen bietet der Handschuh keinen Schutz mehr, aber eine hellen Untergrund für drei darauf gezeichnete Buchstaben aus dem Fingeralphabet.

((())) Die Latex-Figuren zeugen aber auch von der Abwesenheit eines Körpers, so wie die von einer Hand zerdrückte Plastikflasche keine Flüssigkeit mehr beinhaltet, das auf der Seite stehende Aquarium kein Wasser und keine Fische beheimatet und der zerschnittene Gummischlauch luftleer völlig funktionslos ist. Die Materialien sind uns allzu vertraut, als dass wir nicht wüssten, ganz intuitiv, welche Gesellschaft sie ästhetisch fassen, wo man sie kaufen kann, wo sie vorkommen, wofür sie verwendet werden, wie sie schließlich im funktionalen Sinne gedacht werden „müssten“.

(((()))) Nagy lässt jedoch andere Qualitäten der Materialien, die teils gefundene Dinge sind, zur Sprache kommen. Behandelt werden Fragen nach Verräumlichung, die anhand von Koordinaten in der Ausstellung als dreiteilige Anschlussstücke in Form eines Ypsilons oder X vorkommen. So formt sich zum Beispiel in dem einzeln stehenden Objekt ein Y oder ein X aus mit Graphitpapier umwickeltem Karton, je nachdem wie die Aluminiumstange angelegt wird. An dem einen Ende des „Buchstabens“ dockt sich eine Styropor Figur an, dessen Trichterförmige Saugnäpfe vielleicht etwas empfangen oder senden können.

((((())))) Wir vernehmen aber keinen bestimmten Text, sondern werden vielmehr Zeuge einer subtilen und komplexen künstlerischen Formulierung, die alle Parameter der eigenen Arbeitsweise aufnimmt und für uns erfahrbar macht.

Jenni Tischer, 2016

The book embraces sheets of paper between articulation and notation. From a temporal distance it tries to accommodate a concept which traces and explores what once was an exhibition. For this present instant, for the "absolute" moment, the dismantled exhibition has to be considered a lost form. The publication represents the exhibition’s negative form. And as a double develops its visible repetition. The tectonics of the book open up the ways and sideways of the mind. At the junction which is language repetition is often related to rhyme. The deaf sounds of things and materials reconfigure themselves into a system of sight. They provide a reference frame and fund for this book - one possible reading of a dialogic process.

Das Heft könnte einige Papierbögen zwischen Artikulation und Notation sein. Es versucht eine Gestalt aufzunehmen, die aus einer zeitlichen Distanz eine vergangene Ausstellung nochmal aufspürt und erkundet. Eine abgebaute Ausstellung gilt für den gegenwärtigen Augenblick, für den „absoluten Augenblick", als eine verlorene Form. Die Publikation verkörpert die negative Form der Ausstellung. Und als Double entwickelt eine sichtbare Figur der Wiederholung. Durch die Tektonik des Buchraums eröffnen sich die Wege und Seitenwege des Denkens. In der Gelenkstelle der Sprache ist die Wiederholung oft mit dem Reim verwandt. Die tauben Klänge der Dinge und Materialien konfigurieren sich für ein System der Blicke. Sie sind Bezugsrahmen und Fundus für das Heft– eine mögliche Lesart eines dialogischen Verfahrens.

Imre Nagy, 2017

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